Der Landrat des LANDKREISES KASSEL

Tierseuchenbehördliche Allgemeinverfügung Nr. 02/2025
zum Schutz vor der aviären Influenza (Geflügelpest)

(Aufstallungspflicht, Verbot des Verbringens von Vögeln zu Veranstaltungen, Verbot der Durchführung von Veranstaltungen, auf denen Vögel gehandelt oder ausgestellt werden)

Aufgrund des Artikel 70 Abs. 1 Buchstabe b und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 55 Abs. 1 Buchstabe d und Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/429 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1665, 2664) in der zurzeit gültigen Fassung in Verbindung mit § 4 Absatz 2 der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (Viehverkehrsverordnung – ViehVerkV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Mai 2020 (BGBl. I S. 1170) bzw. in der zurzeit gültigen Fassung, ergeht für den Landkreis Kassel folgende

Allgemeinverfügung

1. Aufstallungspflicht
Wer in dem Gebiet des Landkreises Kassel Geflügel im Sinne des Artikel 4 Nummer 9 der Verordnung (EU) 2016/429 hält, hat dieses Geflügel mit Wirkung vom Tag der auf die Bekanntmachung dieser Allgemeinverfügung folgt
a. in geschlossenen Ställen oder
b. unter einer Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenabgrenzung bestehen muss (Schutzvorrichtung),
zu halten.

2. Verbot des Verbringens zu Veranstaltungen
Geflügel und gemeinsam mit Geflügel gehaltene Vögel anderer Arten darf/dürfen aus dem Landkreis Kassel zum Zwecke der Teilnahme an Börsen, Märkten sowie Veranstaltungen ähnlicher Art nicht verbracht werden.

3. Verbot der Durchführung von Veranstaltungen
Überregionale Börsen und Märkte sowie Veranstaltungen ähnlicher Art, bei denen Geflügel und gemeinsam mit Geflügel gehaltene Vögel anderer Arten gehandelt oder zur Schau gestellt wird/werden, sind in dem Gebiet des Landkreises Kassel verboten.

4. Sofortige Vollziehung
Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1. – 3. dieser Allgemeinverfügung wird gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im überwiegend öffentlichen Interesse angeordnet.

5. Inkrafttreten
Die Allgemeinverfügung wird am 30.10.2025 öffentlich bekanntgegeben. Sie tritt am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft und gilt bis zu ihrer Aufhebung.

Diese Allgemeinverfügung und ihre Begründung können in der Dienststelle des Fachbereichs Veterinärwesen und Verbraucherschutz, Liemeckestr.2, 34466 Wolfhagen, während der Dienstzeiten sowie auf der Homepage des Landkreises Kassel (www.landkreiskassel.de) eingesehen werden.

Begründung:
Die Aviäre Influenza (von lat. avis, Vogel), umgangssprachlich auch Vogelgrippe genannt, ist eine durch Viren ausgelöste hochansteckende Infektionskrankheit, die ihren natürlichen Reservoirwirt im wilden Wasservogel hat und zu schweren klinischen Erkrankungen bis hin zum Tod der infizierten Tiere führt. Alle Geflügelarten, aber auch viele Zier- und Wildvogelarten sind hochempfänglich für die Infektion. Bei Hühnern und Puten können innerhalb weniger Tage bis zu 100 % der Tiere erkranken und sterben. Enten und Gänse erkranken oftmals weniger schwer, die Krankheit führt bei diesen Tieren nicht immer zum Tod und kann bei milden Verläufen gänzlich übersehen werden. Das führt zu hohen Leiden und Schäden bei diesen Tieren. Die wirtschaftlichen Verluste sind ebenfalls hoch. Kranke Tiere scheiden den Erreger massenhaft mit dem Kot sowie mit Schleim oder Flüssigkeit aus Schnabel und Augen aus. Bei direktem Kontakt stecken sich andere Tiere durch Einatmen oder Aufpicken von virushaltigem Material an. Auch Eier, die von infizierten Tieren gelegt werden, können virushaltig sein. Kranke oder an Geflügelpest verendete Tiere sowie deren Ausscheidungen, insbesondere der Kot, stellen somit Infektionsquellen dar. Die Verbreitung auf andere Bestände erfolgt durch den Tierhandel oder indirekt durch kontaminierte (verunreinigte) Fahrzeuge, Personen, Geräte, Verpackungsmaterial oder Ähnliches.

Bei der Geflügelpest handelt es sich gemäß Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a Ziffer iv der Verordnung (EU) 2016/429 in der aktuell gültigen Fassung um eine gelistete Seuche, die gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/429 i. V. m. der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 in der aktuell gültigen Fassung der Kategorie A zugeordnet wird. Unter der Kategorie A sind Seuchen gelistet, die normalerweise nicht in der EU auftreten und für die unmittelbar Tilgungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, sobald sie nachgewiesen werden.

Die in der Verordnung (EU) 2016/429 des europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 festgelegten seuchenspezifischen Bestimmungen zur Bekämpfung von Seuchen gelten gemäß Artikel 5 für gelistete Seuchen und gemäß Artikel 8 dieser Verordnung für gelistete Arten. Die dort festgelegten seuchenspezifischen Bestimmungen sind im Falle des Verdachts auf oder der amtlichen Bestätigung der Geflügelpest bei den in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 gelisteten Arten (Aves) anzuwenden.

Ausbrüche von HPAIV H5 bei Geflügel sowie Infektionen bei Wildvögeln treten seit geraumer Zeit nicht nur im Herbst/Winter, sondern ganzjährig in Europa und Deutschland auf. Seit September erhöhte sich die Anzahl der Ausbrüche und Fälle in Europa deutlich und in Deutschland kam es in den letzten 3 Wochen sprunghaft zu vermehrten Ausbrüchen bei Geflügel. Auch im Wildvogelbereich nehmen die Nachweise von HPAIV H5 seit 14 Tagen deutlich zu; ungewöhnliche Nachweise sind aktuell bei Kranichen zu beobachten, über deren Herbstzug es zur weiteren Verbreitung des Virus kommen kann. In vielen Teilen Deutschlands liegen gut geeignete Rast- bzw. Überwinterungsräume für eine große Zahl von Wasservögeln. Im Winter kommt es witterungsbedingt zu einer erhöhten Bewegungsdynamik (auch über größere Entfernungen) und stellenweise zu hohen Rastbeständen.

Zeitgleich begünstigen klein- bis mittelräumige Bewegungen von rastenden Wasservogelarten die Verbreitung des Virus auch über kurze Distanzen in andere Populationen. Aktuell sind in Deutschland im o.g. Zeitraum 166 Fälle bei Wildvögeln (v.a. Kraniche) und 35 Ausbrüche bei Hausgeflügel in acht Bundesländern aufgetreten.

In seiner aktuellen Risikoeinschätzung vom 20.10.2025 zum Auftreten von HPAI H5 in Deutschland, bewertet das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Friedrich-Loeffler-Institut, FLI) das Risiko des Eintrags und einer Ausbreitung von HPAIV H5-Viren bei Wildvögeln sowie eines Eintrags in deutsche Geflügelhaltungen und gehaltene Vögel durch direkte und indirekte Kontakte zu Wildvögeln in Deutschland als hoch.

Das Friedrich-Loeffler-Institut empfiehlt in der aktuellen Situation neben einer konsequenten Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen nach den aktuellen Empfehlungen eine risikobasierte Aufstallung von Geflügel, um das Risiko eines direkten und indirekten Kontakts mit infizierten Wildvögeln und somit das Risiko einer Viruseinschleppung zu minimieren.

Die örtliche Risikosituation ist von der zuständigen lokalen Veterinärbehörde zu analysieren und zu bewerten. Nach dieser Risikoeinschätzung richtet sich die konkrete Umsetzung lokaler Maßnahmen. Dies gilt insbesondere für geplante Geflügelausstellungen und -märkte sowie hinsichtlich von möglichen Aufstallungsanordnungen.

Zu Ziffern 1. (Aufstallung):

Gemäß Artikel 70 Abs. 1 Buchstabe b und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2016/429 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 der Geflügelpestverordnung ist eine Aufstallung des Geflügels von der zuständigen Behörde anzuordnen, soweit dies auf Grundlage einer Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest erforderlich ist. Das Risiko eines Eintrags des Virus der hochpathogenen aviären Influenza ist in Freilandhaltungen deutlich höher als bei Betrieben mit Stallhaltung.

Bei der Risikobewertung war zu berücksichtigen, dass die gewässernahen Gebiete im Landkreis Kassel, insbesondere die Gebiete an den Fuldaauen, ornithologische Risikogebiete darstellen. Zudem liegen im Landkreis Kassel mehrere Biotope, die Zugvögeln als Rastplätze dienen. Die dortigen örtlichen Gegebenheiten bedingen ein erhebliches Vorkommen von denjenigen Wasservögeln, bei denen das Virus der Geflügelpest (HPAI H5) in Deutschland festgestellt wurde.

Weiter sind im Landkreise Kassel annähernd 20 große Legehennenhaltungen und ebenso viele Masthähnchenställe ansässig. Somit ist eine große Geflügeldichte im Kreisgebiet gegeben, was bei der Risikobewertung ebenso Berücksichtigung finden muss.

Mit Stand heute sind im Landkreis Kassel mehrere klinische Verdachtsfälle bei Wildvögeln vorliegend, von denen einer positiv auf HPAIV H5 im Landeslabor getestet wurde. Das Bestätigungsergebnis des FLI steht noch aus. Ebenso wurde das Virus der hochpathogenen aviären Influenza in der Wildvogelpopulation bereits in den benachbarten Landkreisen auf Landeslabor-Ebene nachgewiesen. Wildvogel-Monitoringproben im Risikogebiet Fuldaauen wurden bereits Ende September positiv auf die niedrigpathogene Variante des Aviären Influenzavirus (LPAI) getestet.

Nach Durchführung der Risikobewertung gem. § 13 Abs. 2 Geflügelpestverordnung ist aufgrund der Risikoeinschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts, des nachgewiesenen Vorkommens von hochpathogenem aviären Influenzavirus vom Subtyp H5 in der Wildvogelpopulation, der aktuell hohen Wildvogeldichte im Rahmen des Vogelzugs sowie der hohen Geflügeldichte im Kreisgebiet, eine Aufstallung des Geflügels im gesamten Kreisgebiet anzuordnen, um die Einschleppung des Virus der hochpathogenen aviären Influenza in Nutztierbestände zu vermeiden.

Die getroffene Anordnung habe ich in Ausübung des mir hierbei zustehenden Ermessens getroffen, um das Risiko einer Einschleppung der Tierseuche in Hausgeflügelbestände und eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Entgegenstehende Interessen von Tierhaltern müssen gegenüber den Interessen an der Bekämpfung der Tierseuche zurückstehen.

Die getroffene Anordnung ist geeignet und erforderlich, um den oben geschilderten Zweck zu erreichen. Durch die Aufstallung des Geflügels wird das Risiko eines direkten und indirekten Kontakts mit infizierten Wildvögeln und eine Verbreitung minimiert.

Zu Ziffern 2. (Verbot des Verbringens zu Veranstaltungen):

Gemäß Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe e) i. V. m. Artikel 70 Absatz 1 Bst. b und 2 der VO (EU) 429/2016 kann die zuständige Behörde zur Vorbeugung von Tierseuchen und deren Bekämpfung Verfügungen über Verbote und Beschränkungen des Verbringens von gehaltenen Tieren erlassen.

Mit der Teilnahme von Tieren aus Risikobereichen an Veranstaltungen besteht die Gefahr einer massiven Verbreitung der hochpathogenen aviären Influenza durch das Zusammentreffen von Geflügel und gehaltenen Vögel anderer Arten aus verschiedenen Tierbeständen sowie durch Personen, die möglicherweise in Kontakt mit Infektionsquellen gekommen sind. Bei der Ausübung des mir insoweit zustehenden Ermessens habe ich mich davon leiten lassen, dass wirksame Regelungen zur Verhinderung einer Weiterverschleppung der Tierseuche getroffen werden müssen. Da Geflügel bereits mit dem Virus infiziert sein kann bzw. gemeinsam mit Geflügel gehaltene Vögel anderer Arten das Virus passiv weitertragen können, ist es erforderlich, zu verhindern, dass das Virus über diese Tiere nach einer Teilnahme an Börsen, Märkten oder Veranstaltungen ähnlicher Art weiter verschleppt wird.

Für das im Gebiet des Landkreises Kassel gehaltene Geflügel und die dort gemeinsam mit Geflügel gehaltenen Vögel anderer Arten besteht, wie dargestellt, ein erhöhtes Infektionsrisiko. Das Interesse von Tierhaltern von Vögeln aus dem Landkreis Kassel, mit ihren Tieren an Börsen, Märkten oder Veranstaltungen ähnlicher Art teilzunehmen, muss gegenüber dem Interesse an einer Bekämpfung der Geflügelpest zurücktreten. Die getroffene Maßnahme ist verhältnismäßig sowie erforderlich und geeignet, um den tierseuchenrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen.

Zu Ziffern 3. (Verbot der Durchführung von Veranstaltungen):

Gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bst. b trifft die zuständige Behörde alle erforderlichen Maßnahmen entsprechend Artikel 70 Absatz 2 der Verordnung (EU) 429/2016. Gemäß Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung (EU) 429/2016 kann die zuständige Behörde zusätzliche notwendige Maßnahmen ergreifen, um die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. In Vernehmen mit § 4 Absatz 2 der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (Viehverkehrsverordnung – ViehVerkV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Mai 2020 (BGBl. I S. 1170) bzw. in der zurzeit gültigen Fassung kann die zuständige Behörde Veranstaltungen beschränken oder verbieten, soweit dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung erforderlich ist.

Das gemäß Ziffer 3. dieser Verfügung angeordnete Verbot von überregionalen Börsen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art im Landkreis Kassel, bei denen die in Ziffer 3. genannten Tiere empfänglicher Art verkauft oder zur Schau gestellt werden, ist erforderlich, da durch den bei solchen Veranstaltungen gegebenen engen Kontakt von Vögeln ein bislang nicht abschätzbares Infektionsrisiko besteht und durch einen Verkauf bzw. die Rückkehr der Vögel in ihre Herkunftsbestände eine Verschleppung des Virus in weitere Regionen über potentiell infizierte Vögel möglich ist. Das Risiko, dass das Virus durch Aussteller und Besucher auch in geschlossene Ausstellungshallen eingetragen wird, ist innerhalb der Risikogebiete als besonders hoch anzusehen.

Da Geflügel bereits mit dem Virus infiziert sein kann bzw. gemeinsam mit Geflügel gehaltene Vögel anderer Arten das Virus passiv weitertragen können, ist es erforderlich, zu verhindern, dass das Virus über diese Tiere nach einer Teilnahme an Börsen, Märkten oder Veranstaltungen ähnlicher Art weiter verschleppt wird. Insbesondere bei überregionalen Veranstaltungen besteht die Gefahr einer massiven Verbreitung der hochpathogenen aviären Influenza durch das Zusammentreffen von Geflügel und gemeinsam mit Geflügel gehaltenen Vögel anderer Arten aus verschiedenen Tierbeständen sowie durch den Personenverkehr.

Die unter Ziffer 3. getroffene Anordnung habe ich in Ausübung des mir hierbei zustehenden Ermessens getroffen, um das Risiko einer Weiterverschleppung der Tierseuche zu verhindern. Entgegenstehende Interessen von Veranstaltern, Teilnehmern oder Besuchern solcher Veranstaltungen müssen gegenüber den Interessen an der Bekämpfung der Tierseuche zurückstehen. Die getroffene Anordnung ist geeignet und erforderlich, um den oben geschilderten Zweck zu erreichen.

Zu Ziffer 4. (sofortige Vollziehung)

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dieser Verfügung beruht auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686) in der zurzeit gültigen Fassung und ist im öffentlichen Interesse notwendig.

Bei der Geflügelpest handelt es sich um eine sich schnell ausbreitende Erkrankung, die zu erheblichen Gefahren für das Tierwohl führt und auch zu beträchtlichen wirtschaftlichen Einbußen. Zudem ist zu befürchten, dass der Ausbruch der Geflügelpest zu rigorosen Handelsbeschränkungen führen wird. Die effektive Verhinderung erheblicher tiergesundheitlicher und wirtschaftlicher Schäden ist höher zu bewerten als das entgegenstehende Interesse einzelner, von den Folgen der getroffenen Anordnung verschont zu werden. Im überwiegenden öffentlichen Interesse muss daher sichergestellt werden, dass die getroffenen Anordnungen sofort vollzogen werden können. Angesichts der Möglichkeit, dass aufgrund eines Ausbruchs der Geflügelpest rigorose Handelsbeschränkungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland oder Teilen davon verhängt werden und den damit verbundenen, massiven volkswirtschaftlichen Schäden, insbesondere aber auch wegen der drohenden Gesundheitsgefahren für Tiere, kann sich die Behörde nicht auf die aufschiebende Wirkung etwaiger Rechtsbehelfe und der damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen hinsichtlich der Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung der Seuche einlassen. Nur wenn die angeordnete Maßnahme sofort und umfassend greift, kann das Risiko der Übertragung der Tierseuche auf Geflügel begrenzt werden. Persönliche und wirtschaftliche Interessen Einzelner, die der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegenstehen, müssen demgegenüber zurücktreten.

Begründung der sofortigen Vollziehung für die Aufstallung:

Die Aufstallungspflicht ist mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu versehen, um den Eintrag der Geflügelpest in Geflügelbestände durch Wildvögel zu verhindern. Es besteht ein übergeordnetes Interesse daran, die Einschleppung der Tierseuche in Hausgeflügelbestände zu verhindern und eine Weiterverschleppung aus einem möglicherweise betroffenen, jedoch noch nicht als infiziert erkannten Bestand wirksam zu verhindern. Das überwiegende Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung erfordert, dass die Pflicht zur Aufstallung des Geflügels sofort und umfassend greift und dessen Wirksamkeit nicht durch die Einlegung von Rechtsbehelfen für geraume Zeit gehemmt wird.

Begründung der sofortigen Vollziehung für das Verbot des Verbringens zu Veranstaltungen:

Das Verbot, Vögel aus den Risikogebieten auf Börsen, Märkte oder Veranstaltungen ähnlicher Art zu verbringen ist mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu versehen, um die Ein- und Weiterverschleppung der Tierseuche von Vögeln, die in den betroffenen Gebieten bereits infiziert worden sein könnten, auf die auf den Börsen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art ausgestellten Vögel zu verhindern. Es ist im überwiegenden öffentlichen Interesse, dafür Sorge zu tragen, dass das genannte Verbot sofort greift und dessen Wirksamkeit nicht durch die Einlegung von Rechtsbehelfen für geraume Zeit gehemmt wird. Das private Interesse von Personen, ihre Tiere auf derartige Veranstaltungen zu verbringen, muss gegenüber dem überwiegenden Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Tierseuchenbekämpfung zurückstehen.

Begründung der sofortigen Vollziehung für das Verbot von Veranstaltungen:

Hinsichtlich der Anordnung des Verbots von Börsen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art ist die sofortige Vollziehung erforderlich, da ein übergeordnetes Interesse daran besteht, die Ein- und Weiterverschleppung der Tierseuche von Vögeln, die in den betroffenen Gebieten bereits infiziert worden sein könnten, auf die auf den Börsen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art ausgestellten Vögel zu verhindern. Durch das Verbot wird die Gefahr der Verschleppung durch Kontakte zwischen den Tieren unterschiedlicher Herkunft und mit Personen, die möglicherweise in Kontakt mit Infektionsquellen gekommen sind, vermieden. Dies wäre nicht möglich, wenn die sofortige Wirksamkeit des Verbots durch die Einlegung von Rechtsbehelfen verhindert würde.

Zu Ziffer 5. (Inkrafttreten)

Gemäß § 41 Abs. 4 S. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) vom 15. Januar 2010 (GVBl. I 2010, 18) in der aktuell gültigen Fassung gilt der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. Gemäß § 41 Abs. 4 Satz 4 HVwVfG kann als Zeitpunkt der Bekanntgabe der Tag, der auf die Bekanntmachung folgt, festgelegt werden. Hiervon habe ich zur Verhütung der Weiterverbreitung der Geflügelpest Gebrauch gemacht.

Die Zuständigkeit des Landrats des Landkreises Kassel ergibt sich aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung und der Ernährungssicherstellung und –vorsorge (VLEVollzG) vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229, 232) in der zurzeit gültigen Fassung, da in der Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten im Veterinärwesen und bei der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung vom 08. November 2010 (GVBl I 354, 358) in der zurzeit gültigen Fassung keine abweichende Zuständigkeit begründet wurde.

Hinweis:

Ordnungswidrig im Sinne des § 64 Nr. 14b der Geflügelpest-Verordnung in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Nr. 4 Bst. a des Tiergesundheitsgesetzes und im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 des Tiergesundheitsgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig dieser Allgemeinverfügung zuwiderhandelt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Landkreis Kassel, Veterinärwesen und Verbraucherschutz, Liemeckestraße 2, 34466 Wolfhagen eingelegt werden.

Infolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Anordnungen hat der eingelegte Widerspruch in diesen Fällen keine aufschiebende Wirkung.

Der Landrat des Landkreises Kassel                                                                                                                                                    Wolfhagen, 30.10.2025
Fachbereich Veterinärwesen und Verbraucherschutz
Im Auftrag
gez.
Dr. Kneißl
(Lt. Veterinärdirektorin)

Hinweise zu Biosicherheitsmaßnahmen:
Vogelhaltende Betriebe haben zum Schutz vor biologischen Gefahren sicherzustellen, dass jegliche Personen, die mit den gehaltenen Vögeln im Betrieb in Berührung kommen oder den Betrieb betreten oder verlassen, die Hygienemaßnahmen beachten. Insbesondere gelten folgende Maßnahmen:
a. Die Ein- und Ausgänge zu den Ställen oder die sonstigen Standorte des Geflügels sind gegen unbefugten Zutritt oder unbefugtes Befahren zu sichern.
b. Die Ställe und sonstigen Standorte dürfen von betriebsfremden Personen nur mit betriebseigener Schutzkleidung oder Einwegschutzkleidung betreten werden. Diese ist nach dem Verlassen abzulegen und bei Mehrwegschutzkleidung regelmäßig bei mind. 60 °C zu waschen. Einwegschutzkleidung ist nach Gebrauch unschädlich in einem vor unbefugten Zugriff geschützten Restmülltonne zu entsorgen.
c. Schutzkleidung von Betriebsangehörigen ist ebenfalls nach Gebrauch unverzüglich zu reinigen und zu desinfizieren bzw. Einwegschutzkleidung nach Gebrauch unverzüglich unschädlich zu beseitigen.
d. Nach jeder Einstallung oder Ausstallung von Geflügel sind die dazu eingesetzten Gerätschaften und der Verladeplatz zu reinigen sowie zu desinfizieren. Nach jeder Ausstallung sind die frei gewordenen Ställe einschließlich der dort vorhandenen Einrichtungen und Gegenstände zu reinigen und zu desinfizieren.
e. Betriebseigene Fahrzeuge sind abweichend von § 17 Abs. 1 der Viehverkehrsverordnung unmittelbar nach Abschluss eines Geflügeltransports auf einem befestigten Platz zu reinigen und zu desinfizieren.
f. Fahrzeuge, Maschinen und sonstige Gerätschaften, die in der Geflügelhaltung eingesetzt und in mehreren Ställen oder von mehreren Betrieben gemeinsam benutzt werden, sind jeweils vor der Benutzung in einem anderen Stall bzw. bei Benutzung in mehreren Betrieben im abgebenden Betrieb vor der Abgabe zu reinigen und zu desinfizieren.
g. Räume, Behälter oder sonstige Einrichtungen zur Aufbewahrung verendeten Geflügels sind nach jeder Abholung, mindestens jedoch einmal im Monat, zu reinigen und zu desinfizieren.
h. Eine betriebsbereite Einrichtung zum Waschen der Hände sowie eine Einrichtung zum Wechseln und Ablegen der Kleidung und zur Desinfektion der Schuhe sind vorzuhalten.
i. Unverzüglich vor dem Betreten sowie nach dem Verlassen der Stallungen sind die Hände mit Seife zu reinigen, anschließend zu trocknen und mit Handdesinfektionsmitteln zu desinfizieren.
j. Es ist eine strikte Trennung von Straßen- und Stallkleidung einzuhalten.
k. Das im Geflügelbereich genutzte Schuhwerk hat in den Stallungen zu verbleiben oder ist beim Betreten und Verlassen der Stallungen zu reinigen sowie zu desinfizieren.

Hinweis zu Ausnahmen von der Aufstallungspflicht:
Meine Behörde kann gemäß § 13 Abs. 3 der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest auf Antrag Ausnahmen von der in dieser Verfügung angeordneten Aufstallungspflicht genehmigen, soweit
1. eine Aufstallung
a) wegen der bestehenden Haltungsverhältnisse nicht möglich ist,
b) eine artgerechte Haltung erheblich beeinträchtig ist
2. sichergestellt ist, dass der Kontakt zu Wildvögeln auf andere Weise wirksam unterbunden wird, und
3. sonstige Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen