Land Hessen empfiehlt den Kommunen Grundsteuerhebesätze für 2025
Grundsteuer soll 2025 in den Kommunen aufkommensneutral sein – geht das überhaupt?
Bürgermeisterbrief Juni 2024 zu Grundsteuerhebesätzen ab 2025
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Grundbesitzerinnen und Grundbesitzer,
viele von Ihnen haben in den letzten Tagen die Veröffentlichungen und Nachrichten unserer Landesregierung zu den empfohlenen, aufkommensneutralen Hebesätzen der Kommunen vernommen.
Was bedeutet nun die Empfehlung des Hessischen Finanzministeriums?
Die Kommunen sollen nach dem neuen Recht der Grundsteuer in etwa so viel Grundsteuer einnehmen wie nach dem alten Recht. Das hat so der Bundesgesetzgeber bereits 2019 angekündigt und auch Hessen folgt dieser Prämisse. Aufkommensneutralität für die Kommunen ist hierfür das Schlagwort. Mit den mathematisch berechneten Hebesatzempfehlungen kann dieses Ziel erreicht werden.
Die Festsetzung der Hebesätze obliegt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung den Kommunen selbst. Daher handelt es sich lediglich um eine Empfehlung des Landes Hessen und keine Verpflichtung.
Nicht berücksichtigt wurde bei dieser Empfehlung, wo die Kommunen zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Grundsteuer zum 1.1.2025 tatsächlich finanziell stehen. Gerade für Kommunen auf dem Land, wie Nieste, sind die vom Land ausgereichten Gelder nicht ausreichend, so dass oft notwendige Maßnahmen nicht finanzierbar sind.
Ich möchte Ihnen im Folgenden die Situation der Gemeinde Nieste darstellen und aufzeigen, und dabei auch die Auswirkungen neuer Hebesätze erläutern. Bund und Land machen es sich da ziemlich einfach. Das Land hat für die Einführung der neuen Grundsteuer ein Bewertungssystem gewählt, was insbesondere für diejenigen deutlich höhere Messbeträge zur Folge hat, die alte und weniger werthaltige Immobilien und Grundstücke besitzen. Der sogenannte Bodenrichtwert ist eine maßgebliche Größe bei der Berechnung der Messbeträge. Der eigentliche Zeitwert einer Immobilie spielt bei der Berechnung der Messbeträge keine Rolle mehr. Die Messbeträge von Grundstücken mit z.B. alten landwirtschaftlichen Immobilien haben sich teilweise bis zu verfünffacht. Der Messbetrag wird mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert und ergibt den jährlich zu zahlenden Grundsteuerbetrag.
Wie hoch ist das Grundsteueraufkommen der Gemeinde Nieste?
Bei der Grundsteuer A, also für unbebaute, der Land- und Forstwirtschaft dienende Flächen, liegt das gesamte Steueraufkommen bei gerade mal 7.500,00 € im Jahr, bei einem Hebesatz von 750 %.
Bei der Grundsteuer B, also für bebaute Grundstücke, liegt das gesamte Steueraufkommen bei 440.000,00 €, was gerade mal etwa 10 % des Haushaltsvolumens bedeutet. Zum Vergleich: In etwa der gleichen Höhe liegt der Zuschussbedarf zur Unterhaltung der Niester KITA. Der Hebesatz für die Grundsteuer B liegt ebenfalls bei 750 %.
Das Land hat nun die neu ermitteltet Messbeträge den alten Messbeträgen gegenübergestellt und festgestellt, dass sich diese um den Faktor 1,32 im Durchschnitt für Nieste erhöht haben. Somit wurde der Hebesatz der Grundsteuer von 750 % durch den Faktor 1,32 geteilt und als neuen Hebesatz ab 1.1.2025 – 568,11 % für die Gemeinde Nieste empfohlen. Damit würde die Gemeinde weiterhin rund 440.000 € Grundsteuer insgesamt einnehmen.
Was bedeutet dies für den einzelnen Eigentümer von Grundbesitz?
Die neue Bewertung der Grundstücke und Festlegung neuer Messbeträge bedeutet bei einem gesenkten Hebesatz auf 568,11 %, für den einen dennoch eine deutliche Erhöhung, für andere möglicherweise eine tatsächliche Senkung, weil sich der Messbetrag kaum verändert hat.
Ich habe das ganze Mal für unser eigenes Haus berechnet, einen ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb mit niedrigem Immobilienwert.
Bisher sah das bei uns wie folgt aus:
Messbetrag: 33,63 € x Hebesatz 750 % = 252,23 € Grundsteuer im Jahr
Nach der Neubewertung zeigt sich ein anderes Bild:
Messbetrag neu: 154,00 € x Hebesatz 568,11 % = 874,89 € Grundsteuer im Jahr
Ohne Absenkung des Hebesatzes und verbleib eines Hebesatzes wie bisher:
Messbetrag neu: 154,00 € x Hebesatz 750 % = 1.155,00 € Grundsteuer im Jahr
Also egal, ob der Hebesatz gesenkt wird oder gleichbleibt. Wir zahlen zwischen 622,66 € und 902,77 € mehr Grundsteuer im Jahr.
Welche Mehreinnahmen würde die Gemeinde generieren bei Beibehaltung des bisherigen Hebesatzes von 750 %?
Auch diese Frage lässt sich relativ einfach beantworten. Da die Messbeträge nach neuem Recht im Durchschnitt um Faktor 1,32 höher liegen als nach altem Recht, erhöht sich das Steueraufkommen ebenfalls um diesen Faktor von 440.000,00 € auf 580.800,00 €, was Steuermehreinnahmen von 140.800,00 € von denen ein Teil (rund 10%) dann auch noch über die Kreis- und Schulumlage an den Landkreis abfließen.
Steigt beispielsweise im Jahr 2025 die Kreisumlage noch einmal um 2 % führt dies für Nieste zu einer Mehrbelastung von rund 73.000 €. Steigt parallel dazu auch noch die Schulumlage um ein weiteres Prozent, sind das weitere rund 35.000,00 €.
Am Ende verbleiben von den 140.800,00 € generierten Mehreinnahmen, schlappe 18.800,00 € in der Gemeindekasse.
Was sind die Pläne der Gemeinde Nieste hinsichtlich der Grundsteuer Hebesätze?
Diese Frage kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Rund 98 % aller Ausgaben der Gemeinde umfassen Pflichtaufgaben, die wir erfüllen müssen. Das umfasst die zu zahlenden Umlagen, die Zahlung der Tarifgehälter, die Versorgungsleistungen, Unterhaltung der Feuerwehr, Betrieb der Kindertagesstätte usw. Nur 2 % umfassen die freiwilligen Leistungen wie Sport- und Vereinsförderung, Jugend- und Seniorenarbeit etc.
Welche Hebesätze für 2025 festgelegt werden, entscheidet nicht der Bürgermeister und auch nicht der Gemeindevorstand, sondern das Gemeindeparlament. Die neuen Hebesätze sind davon abhängig, wie sich die Finanzdaten der Gemeinde Nieste auf der Einnahme- und Ausgabenseite bei den Planungen für da Jahr 2025 darstellen werden und ob am Ende ein Defizit oder ein Überschuss generiert werden kann.
Ich hoffe, dass meine Ausführungen aufgezeigt haben, dass die Einnahmeauswirkung der Hebesätze für die Grundsteuer in Nieste nur sehr gering sind. 1% Hebesatz entspricht aktuell 587 € Grundsteuereinnahme pro Jahr. Die Reparatur von einem m² Asphaltfläche kostet aktuell ca. 158,00 €, der Zuschussbedarf aus Gemeindemitteln pro Kind in der KITA liegt bei rund 4.400 € im Jahr und so könnte ich noch viele weitere Beispiele ausführen.
Fazit
Das Land Hessen macht es sich hier zu einfach zu sagen, die Kommunen sollen die Grundsteuer Hebesätze aufkommensneutral ab 2025 gestalten.
Das Land Hessen ist am Zug zu handeln, den kommunalen Finanzausgleich gerechter und insbesondere für kleinere Kommunen im ländlichen Raum auskömmlicher zu gestalten. Den Kommunen muss wieder mehr Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung geschenkt werden. Kosten, die den Kommunen durch Bundes- und Landesgesetze und Richtlinie auferlegt werden (z.B. kostenlose Bereitstellung von KITA Plätzen), müssen den Kommunen zu 100 % vollumfänglich erstattet werden (z.Zt. bekommen wir nur 60% der Kosten erstattet). Der Fördermittelwahnsinn muss aufhören uns wesentlich einfacher gestaltet werden. Überbürokratisierte Antrags- und Bewilligungsverfahren, sowie komplizierte Verwendungsnachweise müssen deutlich vereinfacht werden oder durch einen Investitionsgrundbetrag für die Kommunen ersetzt werden, wie es in anderen Bundesländern üblich ist.
Solange dies nicht passiert, bleibt den Kommunen als Hebel neben einem gnadenlosen Kostensenkungsprozess, die Anpassung der Gemeindesteuern (Gewerbe- und Grundsteuer) als Ausgleich der Haushaltsdefizite. Damit unmittelbar zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.
Ich halte Sie über die weitere Diskussion in den Gemeindegremien bei den Haushaltsberatungen 2025 auf dem Laufenden und stehe Ihnen wie immer bei Fragen jederzeit für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Ihr Bürgermeister
Klaus Missing